150 Jahre Kloster Ilanz
Warum eigentlich nach China?
1865, im Gründungsjahr unserer Klostergemeinschaft, dachte noch niemand an die Einrichtung einer Missionsprokur, geschweige denn an ein Engagement in China. Der Missionsgedanke kam viel später auf, nachdem die ersten Schwestern in Graubünden und weit darüber hinaus bis ins benachbarte Ausland soziale Aufgaben übernommen hatten. China kam in den Blick durch die Kontakte mit den Dominikanern der norddeutschen Ordensprovinz Teutonia. Drei Brüder dieser Provinz betraten 1914 (Beginn des ersten Weltkrieges!) den Boden von Fukien in China. Schon da wussten sie um ihre Grenzen – als Männer. Eine Arbeit mit Frauen und Mädchen würde aus gesellschaftlichen Gründen nicht möglich sein. Sie sahen sich zudem konfrontiert mit dem sehr traurigen Phänomen der Aussetzung von Säuglingen, vor allem in den ländlichen Regionen. Ein schmutziges Bündelchen vor der Haustüre – und wenn sie es öffneten, handelte es sich in der Regel um ein Mädchen. Diese Findelkinder brauchten Betreuung.
Eine Handvoll mutiger Ilanzer Schwestern unter der Führung von Sr. Thomasa Monn (aus Cumpadials, Graubünden) wagte 1920 den Aufbruch in ein fernes Land, das sie nur vom Hörensagen kannten. Ohne jegliche Sprachkenntnisse! Das würde sich dann schon ergeben, wenn sie einmal dort seien…
Sozusagen als logische Folge der Missionsarbeit in China entstand in Ilanz die Missionsprokur, mit der Sie, liebe Leser und Leserinnen, bis heute verbunden sind.
Doch nicht nur bei uns in Europa haben sich seit der Ausreise der ersten Schwestern gewaltige Entwicklungen vollzogen. Die Aufgabe der Missionarinnen in China veränderte sich, zunächst weil die chinesische Regierung das Aussetzen von Kindern gesetzlich ahndete. Nach und nach bildeten sich die Schwestern aus zu Katechetinnen, zu Verkünderinnen der Botschaft des Evangeliums, und zwar in besonderer Weise bei Mädchen und Frauen. Das entsprach ganz ihrer eigentlichen Berufung als Dominikanerinnen.
1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Der Kommunismus hatte bereits Fuss gefasst und breitet sich nach und nach über ganz
China aus, verbunden mit entsetzlichen Grausamkeiten für die chinesische Bevölkerung. Es gab Märtyrer. Der Dominikaner Ludwig Pally (aus Cumpadials, Graubünden) bezahlte 1933 seine mutigen Besuche in den christlichen Gemeinden mit dem Leben.
Die Bedrängnis für Missionare und Missionarinnen wurde immer grösser. Zunächst auf der Flucht, kam alsbald für die Schwestern der Zeitpunkt, entweder nach Europa zurückzukehren oder auf der Insel Taiwan (damals hiess sie Formosa) eine neue Arbeit aufzubauen. Das war 1954. Letzteres gelang – wie sie es möglicherweise wissen aus Berichten unserer Missionsprokur.
In Taiwan traten in der 60er- und 70er-Jahren junge Chinesinnen in die Schwesterngemeinschaft ein.
Heute, nachdem China sich wieder „einen Spalt breit“ geöffnet hat, gelingt es ihnen, in Kurzeinsätzen mit neuen, jungen chinesischen Frauengemeinschaften in Kontakt zu treten. Diese Kontakte sind hilfreich, da die jungen Frauen in ihrem Umfeld für das Ordensleben kaum Vorbilder haben, ihre Satzungen neu „erfinden“ müssen, ohne sich auf Erfahrungen abstützen zu können.
So viel zu unserer Geschichte mit China!
Sr. Ingrid Grave